Digitalisierung: Stadtarchiv stellt den 100.000 Scan online

| Bielefeld (bi)

Das Stadtarchiv Bielefeld hat im Juni den hunderttausendsten Scan online gestellt. Die Digitalisierung von Archivgut schreitet damit weiter voran, der Zugang zu den einzigartigen historischen Beständen des Archivs wird immer leichter und komfortabler. Scan Nummer 100.000 entstammt dabei einer ganz besonderen Archivalie: Dem Einwohnerbuch der Bielefelder Neustadt aus dem Jahr 1841. Das sechs Zentimeter dicke Buch verzeichnet in handgeschriebenen Listen die Namen der Einwohnenden pro Haus, ihre Berufe, das Alter und die Religion – eine Art frühe Form des Melderegisters. Für Familien- und Geschichtsforschende eine unschätzbar wertvolle Quelle. Nach dem schonenden Scannen der 750 Seiten sind diese nun auf dem Portal Archive NRW (www.archive.nrw) verfügbar.

Schonendes Scanverfahren schützt fragile Dokumente

Seit September 2021 stellt das Stadtarchiv Bielefeld auf dem vom Landesarchiv NRW betreuten Onlineportal Archive NRW kostenlos digitalisiertes Archivgut zur Verfügung. Bis Mai 2024 waren auf dem Portal bereits 99.959 Scans mittelalterlicher Urkunden, Akten und Protokolle recherchierbar. Mit dem neu hochgeladenen Einwohnerbuch aus dem 19. Jahrhundert wurde nun die 100.000er Marke geknackt. „Es ist beeindruckend, wie behutsam die kostbaren Archivalien im Archiv gescannt werden, sodass sie nun auch von Zuhause aus rund um die Uhr im Netz genutzt werden können.“, freut sich Kulturdezernent Dr. Udo Witthaus. Speziell geschulte Mitarbeitende scannen an zwei Archivscannern die fragilen Originale. Mit einer hochauflösenden Kamera werden die Vorlagen berührungsarm von oben auf einem Scantisch mit sogenannter Buchwippe Blatt für Blatt digitalisiert. „Anders als bei Büchern, haben wir es im Archiv mit unersetzlichen Einzelstücken zu tun. Das Papier ist brüchig, teilweise lösen sich Seiten. Oberste Priorität hat daher der Schutz der Originale. Einen Durchzugscanner, wie wir ihn aus dem Büro kennen, können wir daher nicht verwenden.“, sagt Helmut Henschel, stellvertretender Amtsleiter des Stadtarchivs und der Landesgeschichtlichen Bibliothek. Die Digitalisierung ist folglich zeit- und kostenintensiv, entspricht aber gleichzeitig der Erwartung vieler Nutzerinnen und Nutzer: Stetig steigt die Anzahl der Anfragen per E-Mail aus dem In- und Ausland, denn ein Lesesaal-Besuch vor Ort ist für viele Forscher mit hohem Aufwand verbunden.  

Auch wenn bislang nur ein Bruchteil der mehrere Tausend Regalmeter umfassenden Bestände online zugänglich ist und auch in Zukunft nie alle Akten digitalisiert werden können: Mit dem Einwohnerbuch ist der Anfang für die Digitalisierung eines ganzen Bestandes gemacht, denn das Stadtarchiv plant, den Bestand mit über 220 wertvollen gebundenen Handschriften bald komplett online zu stellen. Gerade die Handschriften sind aufgrund ihres Alters fragil, jede physische Nutzung belastet das Original. Daher handelt es sich hier, neben der Verbesserung der Zugänglichkeit, auch um eine sogenannte Schutzdigitalisierung. „Sobald wir mit den Digitalisaten arbeiten können, geben wir die Originale nur noch in Ausnahmefällen, zum Beispiel für Ausstellungszwecke heraus. Das schont das Archivgut.“, sagt Anna Vogt, zuständig für die Digitalisierung im Stadtarchiv und ergänzt: „Nach dem Archivgesetz soll Archivgut genutzt und veröffentlicht werden, gleichzeitig sind wir für die sichere Verwahrung für die ‚Ewigkeit‘ zuständig – die Nutzung von Scans ist hier eine gute Möglichkeit.“

Arbeit mit Originalen steht weiterhin im Zentrum

Die Technik der Digitalisierung schreitet dabei weiter voran und bietet im Vergleich zur Arbeit mit dem Original Mehrwerte: Neben Volltexten, die einfach nach Schlagworten durchsucht werden können, anstatt lange im Original zu blättern, ermöglichen spezielle Scanverfahren, beispielsweise der Einsatz von Multispektralkameras, das Sichtbarmachen von Unsichtbarem. Archivalien können auf verblasste Schriften, versteckte Vorzeichnungen oder Schreibmittel untersucht werden. Bislang sind diese Techniken im Archivbereich nicht in der Breite im Einsatz, werden aber künftig noch mehr Potential in der Arbeit mit Scans bieten.

Im Stadtarchiv Bielefeld verfolgt man die Entwicklungen aufmerksam, die Arbeit mit den Originalen steht jedoch weiterhin im Zentrum. Zwar ergänzen digitale Angebote und neue Analysemöglichkeiten das moderne Archivwesen, dennoch wird auch in Zukunft die Beratung von Nutzerinnen und Nutzern vor Ort, das Forschen im Lesesaal und die archivpädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern an den ‚echten‘ Akten einen Schwerpunkt der Archivarbeit darstellen.

Alexander Brandi, Mitarbeiter des Stadtarchivs, am Scanner. Foto: Niklas Stern
Der vorlagenschonende Aufsichtscanner im Stadtarchiv. Foto: Niklas Stern