Mach mit! Bielefelder Grundsätze für Beteiligung

Die Bielefelder*innen sind die besten Expert*innen ihrer eigenen Stadt. Um die Zukunft ihrer Stadt mitzugestalten, werden sie immer häufiger direkt angesprochen. Doch wie sollen solche Prozesse aussehen? Die Grundsätze schaffen einen verlässlichen Rahmen für die Öffentlichkeitsbeteiligung in Bielefeld. Sie legen fest, wie Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft gemeinsam in Projekten miteinander arbeiten und so die Stadt gestalten können. Die nachfolgend aufgeführten Grundsätze der Beteiligung sind eine Einladung an alle Bielefelder*innen, sich aktiv zu beteiligen und miteinander die Zukunft ihrer Stadt zu gestalten. 

Die Öffentlichkeitsbeteiligung zu stärken und weiterzuentwickeln, ist erklärtes politisches Ziel des Rates der Stadt Bielefeld. Diese Grundsätze sind ein Beitrag dazu, die Qualität und Quantität der Öffentlichkeitsbeteiligung in Bielefeld zu steigern. Eine demokratische Stadtgesellschaft ist auf die aktive Mitwirkung ihrer Einwohner*innen angewiesen, die sich auf vielfältige Weise für die Gestaltung ihrer Stadt und des Gemeinwohls einsetzen. 

Wenn viele an der Findung von Lösungen beteiligt werden, können die Herausforderungen der Zukunft besser bewältigt werden. Insbesondere bei Vorhaben mit Konfliktpotenzial kann die Öffentlichkeitsbeteiligung dabei unterstützen, tragfähige Kompromisse zu finden. 

Mit zehn sehr unterschiedlichen Stadtbezirken, mit einem hohen Anteil an Menschen mit internationaler Familiengeschichte und mit großen diakonischen Einrichtungen ist Bielefeld eine Stadt der Vielfalt. Auf diese Eigenschaften Bielefelds wird insbesondere im Grundsatz „Viele beteiligen – Vielfalt sicherstellen“ eingegangen. 
Ziel ist es, regelmäßig viele verschiedene Personen und Gruppen in die Gestaltung der Vorhaben der Stadt einzubeziehen. Sie sollen dabei gute Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen leicht machen, sich in den Prozess einzubringen. Denn Öffentlichkeitsbeteiligung soll nicht nur zu guten Ergebnissen führen, sondern auch Spaß machen.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bielefelder*innen finden jedoch ihre Grenzen, wenn es um verbindliche politische Beschlüsse geht. Bei der freiwilligen Öffentlichkeitsbeteiligung haben Ergebnisse stets einen empfehlenden Charakter. Beteiligung oder Mitwirkung sind hier nicht gleichzusetzen mit Mitbestimmung. Die Rechte und Pflichten von Rat, Oberbürgermeister und Verwaltung bleiben daher von den Grundsätzen unberührt. Bei der Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung muss zudem berücksichtigt werden, welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Es wird daher immer einen Abwägungsprozess darüber geben, wie die begrenzten finanziellen Mittel der Stadt eingesetzt werden.

Diese „Grundsätze“ schaffen einen verlässlichen Rahmen für die Öffentlichkeitsbeteiligung in Bielefeld. Sie legen fest, wie Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft gemeinsam und partnerschaftlich an der Gestaltung der Zukunft arbeiten können. Der Austausch ist angewiesen auf eine respektvolle und faire Diskussion, die gegenseitige Anerkennung von unterschiedlichen Positionen und Wissensständen sowie das ehrliche Bemühen, gemeinsam zu Lösungen zu kommen. 

Die nachfolgend aufgeführten Grundsätze der Beteiligung sind eine Einladung an alle Bielefelder*innen, sich aktiv zu beteiligen und miteinander die Zukunft ihrer Stadt zu gestalten. 
 

Grundsätze

Gelungene Öffentlichkeitsbeteiligung benötigt ausreichende Ressourcen. Diese Ressourcen müssen insbesondere für ein Büro „Dialog & Beteiligung“ sowie für Beteiligung zu Vorhaben der Stadt bereitgestellt werden. 

Büro „Dialog & Beteiligung“
Das Büro „Dialog & Beteiligung“ ist für die Umsetzung dieser Grundsätze wesentlich. Es wird in der Stadtverwaltung dauerhaft eingerichtet, bringt seine Expertise im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung ein und ist in alle Planungen zur Vorbereitung von Beteiligung in Bielefeld frühzeitig einzubeziehen.
Für die Erfüllung seiner Aufgaben ist das Büro „Dialog & Beteiligung“ mit den erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen auszustatten.

Gesamtstädtische Vorhaben sowie Vorhaben in den Stadtbezirken und Quartieren
Städtische Vorhaben werden – je nach Zuständigkeit – durch den Rat der Stadt Bielefeld, die zuständigen Ausschüsse, Beiräte, Bezirksvertretungen oder Verwaltungseinheiten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel beschlossen. Für die Öffentlichkeitsbeteiligung bei einzelnen Vorhaben benötigen die zuständigen Fachämter in der Verwaltung - über das Büro „Dialog & Beteiligung“ hinaus - Personal und Finanzmittel. 
Die Bereitstellung von personellen und finanziellen Ressourcen soll der Größe und Bedeutung des Vorhabens angemessen sein und mit dem Beschluss festgelegt werden. Dabei soll berücksichtigt werden, dass die anfallenden Aufgaben in der Regel durch bereits vorhandene Stellen und Personalressourcen bewältigt werden müssen.

Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist so frühzeitig durchzuführen, dass die Möglichkeit zur offenen Mitgestaltung gegeben ist. Frühzeitigkeit bedeutet, dass die Ideen, Bedenken, Empfehlungen und sonstige Rückmeldungen der Einwohner*innen nach entsprechender Abwägung und Prüfung ggf. noch in die Planungen einfließen können. 
Grundlage für eine erfolgreiche, frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung ist die rechtzeitige Bereitstellung von Informationen zu geplanten Vorhaben und Beteiligungsprozessen der Stadt, die den Vorgaben des Grundsatzes „Transparenz und Kommunikation“ entspricht. 

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung in Bielefeld gilt: Transparenz und offene Kommunikation von Anfang bis Ende des Prozesses. Eine frühzeitige und offene Kommunikation ist Voraussetzung für eine wertschätzende, respektvolle und faire Diskussion auf Augenhöhe.
Die geforderte Transparenz wird durch die Bereitstellung von Informationen sichergestellt. Deshalb wird regelmäßig und umfassend über laufende und geplante Vorhaben der Stadt Bielefeld und die damit verbundenen Beteiligungsmöglichkeiten informiert. Dazu gehören:

  • eine nutzer*innenfreundliche Übersicht über alle Vorhaben
  • eine kurze Beschreibung des geplanten Projektablaufs 
  • eine Darstellung der möglichen Beteiligungsprozesse bzw. eine Begründung, sofern keine Öffentlichkeitsbeteiligung geplant ist
  • Informationen zu den Ergebnissen der Öffentlichkeitsbeteiligung und dem Stand ihrer Umsetzung 

Das Büro „Dialog & Beteiligung“ ist federführend für die Bereitstellung dieser Informationen zuständig. Es wird dabei von den Fachämtern unterstützt. 
Sofern bei Vorhaben Beteiligungsprozesse vorgesehen sind, haben Teilnehmer*innen und weitere Interessierte Anspruch auf

  • eine angemessene und verlässliche Wissensbasis,
  • eine eindeutige Kommunikation der Rahmenbedingungen sowie der Grenzen der Beteiligung,
  • ausreichend Zeit, sich mit den zur Verfügung gestellten Informationen zu beschäftigen sowie 
  • auf nachvollziehbare Informationen zum Umgang mit den Ergebnissen aus Beteiligungsverfahren.

Wie im Grundsatz „Viele beteiligen – Vielfalt sicherstellen“ dargestellt, ist die Kommunikation dabei so zu gestalten, dass grundsätzlich möglichst alle Bielefelder*innen erreicht werden.

Für die Verbreitung der Informationen werden verschiedene – auf den Prozess abgestimmte – Kommunikationskanäle genutzt. Dabei wird auf eine einfache Sprache sowie – wenn möglich – auf Mehrsprachigkeit geachtet.
Auch nach Abschluss des Beteiligungsprozesses müssen alle Informationen der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.

Alle Bielefelder*innen müssen die Möglichkeit haben, sich aktiv in Beteiligungsverfahren einzubringen. 
Neben Einzelpersonen sind insbesondere auch Interessengruppen, wie beispielsweise Betroffene, Anwohner*innen, Bürger*inneninitiativen, Vereine, Interessenvertretungen oder andere Vereinigungen oder Organisationen der Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur sowie weitere Vertreter*innen der Stadtgesellschaft einzubeziehen.
Darüber hinaus setzt sich die Stadt Bielefeld zum Ziel, jene Gruppen besonders anzusprechen und zu aktivieren, die sich bisher eher selten in Beteiligungsprozesse einbringen oder einbringen konnten. Dazu zählen insbesondere 

  • Kinder und Jugendliche,
  • Menschen mit Behinderung, 
  • Menschen mit internationaler Familiengeschichte. 

Dabei ist wichtig, dass besondere Zielgruppen nicht nur dann beteiligt werden, wenn sie direkt betroffen sind.
Aufgrund vorhandener Rahmenbedingungen oder begrenzter Ressourcen wird es nicht immer möglich sein, alle Personengruppen zu erreichen. Grundsätzlich soll es Ziel sein, vorhandene Hürden abzubauen. Geeignete Maßnahmen sind zum Beispiel

  • eine zielgruppenspezifische und barrierefreie Ansprache,
  • die Auswahl barrierefreier Orte,
  • eine aufsuchende Beteiligung,
  • die Schaffung von digitalen Beteiligungsangeboten.

Die Ergebnisse aus den Beteiligungsprozessen werden den Vertreter*innen in den politischen Gremien schnellstmöglich zur Verfügung gestellt. Die Vertreter*innen setzen sich mit den Ergebnissen auseinander und wägen sie im Rahmen ihrer Beschlussfassung zum Vorhaben sorgfältig ab.

Die Öffentlichkeit wird für jedes stattgefundene Beteiligungsverfahren über die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung der Empfehlungen informiert. Sollten Empfehlungen nicht umgesetzt werden, wird dies unter Nennung von Pro- und Kontraargumenten begründet. 

Die Informationen zum Umgang mit den Ergebnissen aus Beteiligungsprozessen werden der Öffentlichkeit leicht zugänglich, verständlich und online dauerhaft zur Verfügung gestellt. Zentrale Ergebnisse sind zusätzlich zielgruppenspezifisch und in Leichter Sprache verfügbar.

Das Lernen aus Beteiligungsprozessen ist nicht nur eine wichtige Grundvoraussetzung für die gelingende Mitwirkung, sondern auch für die Weiterentwicklung der Grundsätze. 

Überprüfung von Beteiligungsverfahren
Bei der Durchführung von Beteiligungsverfahren sorgt das federführende Fachamt dafür, dass geeignete Maßnahmen zur Überprüfung eingesetzt werden. Hierbei sollen bei Bedarf auch neutrale, externe Einrichtungen, wie zum Beispiel die Hochschulen, einbezogen werden. 
Das Büro „Dialog & Beteiligung“ sorgt gemeinsam mit den jeweiligen Fachämtern für eine zeitnahe Auswertung und Einordnung der Ergebnisse und macht sie einfach verständlich öffentlich verfügbar.

Weiterentwicklung der Grundsätze
Partizipation lernt aus Erfahrung. Die Anwendung der Grundsätze bei Beteiligungsverfahren und die dabei gemachten Erfahrungen sind die Grundlage für eine stetige Anpassung und Verbesserung der Grundsätze. 
Das Büro „Dialog & Beteiligung“ analysiert die Qualität der Öffentlichkeitsbeteiligung in regelmäßigen Abständen, mindestens alle 12 Monate, und ist Ansprechpartner für Anregungen und Beschwerden. Es erarbeitet in Zusammenarbeit mit dem Begleitenden Gremium spätestens nach drei Jahren Vorschläge für die Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt Bielefeld. 

Bei der Weiterentwicklung der Grundsätze sollen die Bielefelder*innen - ebenso wie bei dessen Entstehung - eine aktive Rolle übernehmen. 

Erste Instrumente zur Umsetzung der Grundsätze

Für eine gelungene Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt Bielefeld ist ein zentrales, projektübergreifendes Büro „Dialog & Beteiligung“ erforderlich. Aufgabe des Büros „Dialog & Beteiligung“ ist es, 

  • kommunale Partizipation innerhalb der Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung stärker zu verankern,
  • Öffentlichkeitsbeteiligung sichtbarer zu machen,
  • kommunale Partizipation strukturierter zu gestalten, 
  • neue Formate für Öffentlichkeitsbeteiligung in Bielefeld zu entwickeln und umzusetzen.

Das Büro „Dialog & Beteiligung“ berät und unterstützt die Stadtgesellschaft, Verwaltung und Politik in Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Es übernimmt dabei unter anderem folgende Aufgaben:

  • Auf Grundlage der Informationen durch die Fachämter stellt das Büro „Dialog & Beteiligung“ relevante Vorhaben zusammen und vermittelt sie transparent der Öffentlichkeit. In dieser Übersicht sind auch alle Beteiligungsverfahren enthalten.
  • Das Büro „Dialog & Beteiligung“ berät und unterstützt im Rahmen ihrer vorhandenen Ressourcen die Fachämter bei der Planung und Durchführung von Beteiligungsprozessen, bei der Verwendung der projektgebundenen Haushaltsmittel und bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Beteiligungsprozesse. Es ist deshalb bei allen Vorhaben mit Öffentlichkeitsbeteiligung frühzeitig einzubeziehen.
  • Es organisiert Fortbildungen und Workshops im Bereich Öffentlichkeitsbeteiligung.
  • Es ist Anlaufstelle für Einwohner*innen und berät und unterstützt sie bei der Teilnahme an Beteiligungsprozessen.
  • Bei Konflikten zwischen Verwaltung, Projektbeteiligten und Einwohner*innen ist es erster Ansprechpartner.

Für jede Öffentlichkeitsbeteiligung wird ein Beteiligungskonzept erstellt und der Politik zur Kenntnis vorgelegt. 
Grundsätzlich ist das verantwortliche Fachamt für die Erstellung des Beteiligungskonzepts zuständig. Bei Bedarf kann es durch das Büro „Dialog & Beteiligung“ unterstützt werden. Im Einzelfall ist es sinnvoll, Betroffene oder Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, die für das betreffende Thema stehen, hinzuzuziehen. Ob (weitere) Akteur*innen bereits bei der Erstellung des Beteiligungskonzepts einbezogen werden, entscheidet das zuständige Fachamt. 

Die Beteiligungskonzepte werden der Öffentlichkeit frühestmöglich zur Verfügung gestellt. Sie enthalten Informationen zu folgenden Punkten:  

  • Beschreibung des Beteiligungsgegenstands und -ziels
  • Zeitliche und inhaltliche Übersicht des Beteiligungsprozesses und seiner Formate 
  • Vorschlag der Zielgruppen bzw. der Personenkreise, die in besonderer Form beteiligt werden sollen
  • Vorgesehener Zeitplan, Verantwortlichkeiten und – sofern möglich – Kostenschätzung 

Ein Begleitendes Gremium wird zur Umsetzung und Kontrolle der Einhaltung der Grundsätze eingesetzt. Es wird für einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren berufen. Es besteht aus maximal 21 Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft. Bei Bedarf können weitere - nicht stimmberechtigte - Expert*innen hinzugezogen werden. Die Vertreter*innen der Stadtgesellschaft verfügen über ein Vetorecht bei Abstimmungen im Gremium. Auch für das begleitende Gremium gilt, dass seine Entscheidungen keinen verbindlichen Charakter haben, sondern Empfehlungen an Rat und Verwaltung darstellen. Weiteres regelt eine Geschäftsordnung, die vom Gremium erarbeitet wird.
Das Gremium tagt öffentlich und setzt sich mit der Ausgestaltung und Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung auseinander, aber nicht mit den erarbeiteten Inhalten einzelner Beteiligungsprozesse. Es befasst sich mit folgenden Aufgaben: 

  • Es kann auf eigenen Wunsch, auf Anfrage der Verwaltung oder der Einwohner*innen vorgelegte Beteiligungskonzepte hinsichtlich der Einhaltung der Grundsätze prüfen und bewerten.
  • Es schätzt die Qualität vergangener Beteiligungsprozesse ein. Hierbei beschäftigt es sich auch mit der Umsetzung der Ergebnisse von Beteiligungsprozessen. 
  • Es erarbeitet Vorschläge für die Weiterentwicklung der kommunalen Partizipation sowie der Grundsätze.
  • Es berät die Stadt Bielefeld in Konflikten, die sich auf die Art und Weise der Öffentlichkeitsbeteiligung beziehen oder daraus hervorgehen.
  • Die Geschäftsführung des begleitenden Gremiums übernimmt das Büro „Dialog & Beteiligung“.