ECHT – Bielefelder Frauen in der Wirtschaft
Name |
Vanessa Böckstiegel |
Alter |
36 |
Position |
CEO & Co-Founder |
Unternehmen |
easimo GmbH |
Branche |
Software für Immobilienverwaltung |
Resilienz-Tipp Nr. 1 |
Ein verständnisvolles und unterstützendes Umfeld aufbauen |
Portrait
Vanessa Böckstiegel ist die CEO und Co-Gründerin von easimo. Ein Unternehmen, das intelligente Cloudlösungen anbietet und damit eine Lücke der technologisch unterversorgten Immobilienverwaltungsbranche schließt. Aus dem eigenen Bedarf des Gründerteams und ihrer jahrelangen Beratungs- und Entwicklungserfahrung entstand zunächst ein Pilotprojekt, das sich schließlich zu einem nachhaltigen Unternehmen entwickelte. Mit ihrer modernen Cloud-ERP-Lösung revolutioniert easimo die gesamte Branche.
In Bielefeld gestartet, in Bielefeld gelandet – Vanessa Böckstiegel ist hier aufgewachsen, studierte International Management in Berlin, England und Spanien. Beruflich führte sie ihr Weg nach Stuttgart, München, Frankfurt und in die USA, bevor sie einem verlockenden Angebot nach Singapur folgte. Doch für die große Liebe, die sie seit der Schulzeit begleitet, kehrte sie schließlich wieder nach Deutschland zurück.
Ihre Berufslaufbahn zeigt es: Den Status quo zu akzeptieren – das fällt Vanessa schwer. Sie ist ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen und hat durch ihre Zeit in der Unternehmensberatung gelernt Lösungen zu finden. Die fand sie nicht alleine. Während ihrer Karriere arbeitete sie stets in Teams zusammen, was sie bis heute prägt. Denn Vanessa ist vor allem eins: Teamplayerin.
Was hat dich inspiriert easimo zu gründen?
Meine Geschichte beginnt leider mit einem traurigen Ereignis. Im Jahr 2017 erkrankte mein Vater schwer und konnte sein Unternehmen von einem Tag auf den anderen nicht mehr allein weiterführen. Als er mich anrief, war für mich sofort klar: Ich werde ihn unterstützen. Es begann eine intensive Zeit mit viel Arbeit aber auch gemeinsamen Urlauben, die ich sehr schätze. Nach neun Monaten verkauften wir die Firma erfolgreich an NTT DATA Business Solutions. Danach begleitete ich das Unternehmen in der Post-Merger-Integration Phase noch eine ganze Weile zusammen mit meinem Vater, der dank innovativer Behandlungsformen nicht weitere 3 Monate, sondern 2,5 Jahre leben durfte.
Parallel dazu sollte ich mich um das Immobilienportfolio meines Vaters kümmern. Was eigentlich als kleine Nebenaufgabe gedacht war, entpuppte sich als enorm zeitaufwendig. Ich war überzeugt, dass es eine ganzheitliche Software dafür geben müsse, die mein Vater einfach noch nicht entdeckt hatte. Nach längerer Recherche fand ich nichts, was meinen Ansprüchen an ein Portfolio Reporting entsprach. Das war mein Aha-Moment und der Anfang von easimo.
Was war dir bei der Gründung von easimo besonders wichtig?
Die Immobilienbranche ist dafür bekannt, dass viele Menschen überarbeitet sind, dadurch die Burn-out-Raten steigen, was den Fachkräftemangel verstärkt. Mit easimo wollen wir dem entgegenwirken, indem wir eine Lösung bieten, die den Arbeitsalltag vereinfacht und somit sowohl die Effizienz steigert als auch das Wohlbefinden der Fachkräfte fördert. Es sollte ein Assistent, ja ein zusätzlicher digitaler Mitarbeiter, sein, der bei der ganzheitlichen Verwaltung von Immobilienprozessen unterstützt.
Wir glauben fest daran, dass ein starkes, diverses Team, das auf gemeinsamen Werten wie Teamwork und Vertrauen basiert, der Schlüssel zum Erfolg ist. Bei uns steht nicht nur die Qualität unserer Software im Fokus, sondern auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und unsere Vision in die Realität umsetzen.
Alle guten Dinge sind vier? Du hast mit drei anderen zusammen gegründet. Das ist relativ ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Ich habe mit meinem jetzigen Co-Founder Michael bereits zuvor im Finance Bereich im Unternehmen meines Vaters zusammengearbeitet. Er hat uns gewissermaßen zusammengeführt. Als ich auf die Lücke im Immobilienmanagement gestoßen bin, habe ich ihm von der Situation erzählt und wir haben uns gedacht „da müsste man doch was entwickeln“. Die wirtschaftliche Seite konnten wir sehr gut abbilden, es fehlte allerdings noch jemand für die Softwareentwicklung. Florian, meinem Mann, fiel sofort sein Sandkastenfreund Bernd ein und so kam es zur Gründung im Vierer-Team.
Was ist euer Erfolgsrezept?
Durch meine Zeit in der Unternehmensberatung habe ich gelernt, was es bedeutet im Team zu arbeiten und sich aufeinander verlassen zu können. Gegenseitiges Vertrauen ist bei uns eine grundlegende Basis. Um herausragende Arbeit zu leisten, die erfolgreich ist, braucht es eine Vielzahl von Fähigkeiten, und das funktioniert hervorragend in einem diversen und komplementären Team. Jede Person bringt ihre Expertise ein, und ich kann mich darauf verlassen, dass sie ihren Bereich souverän abdeckt. Dabei zählen die Fähigkeiten, nicht Herkunft oder Geschlecht.
In meiner Consulting-Zeit habe ich auch gelernt, Prozesse genau im Blick zu behalten und stark kundenorientiert zu arbeiten. Es ist unser Anspruch, stets am Puls der Zeit zu bleiben und unseren Kundinnen und Kunden die neuesten Entwicklungen und Lösungen zu bieten.
Was waren für dich die größten Herausforderungen beim Gründen und wie hast du sie überwunden?
Das Gründen eines Unternehmens ist wie ein Marathon, der aus vielen Sprints besteht. Es gibt verschiedene Phasen, die jeweils ihre eigenen Herausforderungen mit sich bringen.
In der Anfangszeit, vor und während der eigentlichen Gründung, hatte ich Zweifel und war unsicher. Fragen wie „wird meine Idee gut ankommen?“ oder „existiert die wahrgenommene Marktlücke wirklich?“ haben mich beschäftigt, ich denke das ist ganz normal. Ohne eine gute Portion Risikobereitschaft geht es glaube ich nicht, denn wir haben alles auf eine Karte gesetzt. Was mir in dieser ersten Gründungszeit sehr geholfen hat, war nicht allein zu sein, ein starkes Team an meiner Seite zu haben, mit dem ich über alles reden konnte – das hat den Unterschied gemacht.
Später kamen andere Herausforderungen auf mich zu: Ich musste eine Balance zwischen Unternehmensführung und Familienleben finden. Mit zwei Kindern ist das eine echte Aufgabe, aber es ist machbar. Ich glaube, dass Durchhaltevermögen eine der wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Gründerinnen und Gründer ist. Es gibt immer wieder Rückschläge oder unerwartete Hürden, aber was zählt, ist die Fähigkeit, sich zu sammeln und weiterzumachen. Ein verständnisvolles Umfeld ist dabei entscheidend. Mein Mann ist Mitgründer und versteht, dass ich oft abends noch arbeiten muss, wenn etwas für eine Kundin oder einen Kunden am nächsten Morgen fertig sein muss. Natürlich gibt es auch mal Konflikte, aber grundsätzlich ist es wichtig, dass wir dasselbe Mindset haben und an einem Strang ziehen.
Was hat dich in deinem Werdegang und in der Gründung unterstützt, hast du einen Tipp?
Vorbilder sind für mich sehr wichtig. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie – sowohl mein Großvater als auch mein Vater waren Unternehmer. Es half mir, zu sehen, was alles möglich ist. Deshalb finde ich Mentoring besonders wertvoll. Es ist enorm hilfreich, Rat von Menschen zu bekommen, die deine Situation verstehen.
Im Gründungskontext war für uns vor allem die „Founders Foundation“ hier in Bielefeld als Anlaufstelle für Fragen und Probleme großartig. Ich bin sehr dankbar, dass diese Institution ins Leben gerufen wurde und dass dort so viele großartige Menschen arbeiten und wir uns gegenseitig unterstützen. Austausch und Netzwerken sind einfach das A und O in diesem Bereich.
Du hast eine Glaskugel in der Hand, in der du die Zukunft für easimo und Frauen in der Wirtschaft sehen kannst. Was siehst du?
Unser Ziel ist es, einer der Marktführer im Bereich Immobilienmanagement-Software zu werden. Wir haben bereits über die hohen Burn-out-Raten und den Fachkräftemangel gesprochen. Es wäre großartig, wenn unsere Software hier Unterstützung bieten könnte.
In Bezug auf die Rolle der Frauen in der Wirtschaft sehe ich einen stetigen und positiven Wandel. Die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen, insbesondere in männerdominierten Bereichen, muss weiter gesteigert werden. Je mehr Frauen in solchen Rollen vertreten sind, desto normaler wird es für alle, sie dort zu sehen. Dieser gesellschaftliche Prozess ist bereits in vollem Gange und gewinnt zunehmend an Dynamik. Frauen werden immer mehr Chancen erhalten, ihre Fähigkeiten zu zeigen und gleichberechtigt anerkannt zu werden.
Dein Tipp an junge Frauen?
Einfach ausprobieren! Ich habe selbst viel experimentiert, um herauszufinden, wo ich mich am wohlsten fühle. Es ist wichtig, neuen Herausforderungen offen gegenüberzustehen und die eigene Komfortzone zu verlassen. Statt ständig an Schwächen zu arbeiten, würde ich dazu raten sich auf die Stärken zu konzentrieren und diese weiterentwickeln.
Ich glaube auch ein bisschen ans Schicksal: Wenn sich etwas fügen soll, wird es sich auch fügen. Andernfalls ist man einfach noch nicht am richtigen Ort. Es ist entscheidend, in sich hineinzuhören, herauszufinden, was man wirklich will, und sich dann ein Umfeld zu suchen, das diese Wünsche unterstützt und akzeptiert.
Ein Arbeitsumfeld, das Flexibilität bietet und Familienleben integriert. Viele qualifizierte Frauen, die nach der Geburt sagen „Das hier ist toll, aber nur „Baby“ ist mir zu wenig, ich würde auch gerne wieder beruflich tätig sein“, sollten ein Umfeld finden, in dem das gelebt wird. Es ist auch völlig in Ordnung, eine Auszeit zu nehmen oder eine Pause einzulegen, wenn das nach der Geburt das Beste für einen selbst ist. Jeder muss für sich den richtigen Zeitpunkt finden, und das ist vollkommen okay.
Was braucht es deiner Meinung nach, um die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt weiter voranzubringen?
Ich denke da hat sich in den letzten Jahren schon viel bewegt, aber wir haben natürlich noch ein gutes Stück Weg vor uns. Strukturen in Unternehmen müssen sich verändern, nicht nur für Frauen:
- Komplementäre und inklusive Teams: Es ist wichtig, Teams auf Basis von Fähigkeiten und Menschlichkeit zusammenzustellen, anstatt nur auf Arbeitszeit, Wohnort oder Geschlecht zu achten. Ein diverses Team, das auf unterschiedlichen Kompetenzen basiert, fördert Innovation und schafft ein gerechteres Arbeitsumfeld. Und am Ende auch bessere Ergebnisse.
- Flexibilität und Raum für persönliche Bedürfnisse: Flexibilität bei Arbeitszeiten und -orten ist entscheidend. Beispielsweise sollten Mitarbeitende, die familiären Verpflichtungen haben, die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeitszeiten entsprechend anzupassen. Ein Beispiel könnte sein, dass jemand mit einem Baby wöchentlich grobe Ziele festlegt und die genaue Ausgestaltung flexibel handhaben kann.
- Remote-Arbeitsmöglichkeiten: Die Option, remote zu arbeiten, sollte selbstverständlich sein. Dies ermöglicht Mitarbeitenden, ihre Arbeit an die Lebensumstände anzupassen, wie etwa durch Umzüge oder familiäre Verpflichtungen. Einer unserer Mitarbeiter ist nach Irland gezogen und das funktioniert trotzdem. Die Hälfte des Teams arbeitet voll remote. Regelmäßige persönliche Treffen (z.B. einmal im Quartal) sind wichtig, um den Teamspirit zu stärken und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder dieselben Herausforderungen und Werte teilen. Die Möglichkeit von Remote-Work vereinfacht auch die Suche nach passendem Personal, da der Suchradius enorm vergrößert wird.
- Experimentierfreudigkeit und kontinuierliche Anpassung: Arbeitsstrukturen sollten experimentierfreudig gestaltet werden. Teams müssen bereit sein, neue Ansätze auszuprobieren und bestehende Strukturen regelmäßig zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen aller Mitarbeitenden gerecht werden.
Das Interview führte Kim Lasche, Projektmanagerin im Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL
Fotos: Julia Lüthgen, Mitarbeiterin Kommunikation im Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL