Architekturbüro „Caruso St John Architects” erhält Planungsauftrag zur zukunftsorientierten Generalsanierung und Erweiterung der Kunsthalle Bielefeld

| Bielefeld (bi)

Die Stadt Bielefeld und die Kunsthalle Bielefeld freuen sich, mitzuteilen, dass sich das Architekturbüro „Caruso St John Architects” in der Endrunde des mehrstufigen Vergabeverfahrens durchsetzen konnte und mit den architektonischen Planungsarbeiten zur zukunftsorientierten Generalsanierung und Erweiterung der Kunsthalle Bielefeld beauftragt wird. 

Mit der im Jahr 1968 nach Plänen des US-amerikanischen Architekten Philip Johnson (1906-2005) erbauten Kunsthalle Bielefeld verfügt die Stadt Bielefeld nicht nur über eine renommierte Institution für moderne und zeitgenössische Kunst, sondern auch über einen international bedeutsamen Museumsbau mit ikonischem Charakter. Die Kunsthalle ist Johnsons einziger Museumsbau in Europa, ein bedeutsames historisches Denkmal und ein identitätsstiftendes Wahrzeichen von Bielefeld. 

Das Gebäude und Raumprogramm entspricht im Wesentlichen dem Zustand seiner Bauzeit und den Auflagen des Denkmalschutzes. Nach über fünfzig Jahren der öffentlichen Nutzung muss der Bau der Spätmoderne für das 21. Jahrhundert zukunftsfähig gemacht werden. Die Sanierung der Kunsthalle Bielefeld ist nicht nur aus energetischen und konservatorischen Gesichtspunkten unumgänglich geworden. Um nachhaltig zukunftsfähig zu werden, müssen bauliche Maßnahmen ergriffen werden, die es dem Museum ermöglichen, den stark gewandelten Aufgaben und Erwartungen besser nachkommen zu können.

Bereits angelegte Funktionen, die heutigen Standards nicht mehr entsprechen, müssen verbessert und neue erforderliche Funktionen eingeführt werden. Seit den 1970er Jahren hat sich die Kunst mit Installations-, Performance-, und Filmkunst weiterentwickelt und es sind zunehmend großformatige Kunstformen entstanden. Diese können in der Kunsthalle Bielefeld, die als Tageslichtmuseum ausgelegt ist, aktuell kaum präsentiert werden.

Als eines der ersten Museen in der jungen Bundesrepublik verfügte die Kunsthalle Bielefeld über einen Raum für Kinder und Jugendbildung. Heute nehmen die Programme der Bildung und Vermittlung mit Zielsetzungen wie Inklusion und Partizipation eine ungleich größere Rolle ein, wofür adäquate Räume und Infrastrukturen fehlen. Hinzu kommt, dass das Museum bei jedem Ausstellungswechsel vollständig schließen muss und somit der Zulauf zu Programmen der Bildung wie auch Serviceangebote (Café, Bibliothek, Shop) gestört ist.

Museen sind heute Treffpunkte einer diversen Stadtgesellschaft, an denen vielseitige Erfahrungen gemacht werden können. Diese reichen von der Kunstbetrachtung, über Diskussionen und Bildungsangebote bis hin zu unbeschwertem Beisammensein, Festen, Spaß und Genuss. Das Gebäude aus den 60er Jahren muss daher für diese breit gefächerten neuen Aufgaben aktualisiert werden. Die Aktualisierung erfordert das Einrichten anderer Raumangebote und zugleich neue Raumqualitäten. 

Mit Beschluss vom 19. Mai 2022 hat der Rat der Stadt Bielefeld die zukunftsorientierte Generalsanierung der Kunsthalle Bielefeld mit einem Budget von 40,5 Mio./Euro beschlossen.  Ab Juni 2022 war in diesem Prozess die Paratus Group aus New York für die Kunsthalle beratend tätig, um den Nutzerbedarf zu schärfen. Der gesuchte Ansatz folgt dem Prinzip der Nachhaltigkeit und tritt einsprechend für ein zukunftsfähiges, funktionierendes Museum ein. Damit gemeint sind Räumlichkeiten, die eine Präsentation von zunehmend großformatigen Kunstformen sowie Installations-, Performance-, oder Filmkunst erlauben. Gleichzeitig müssen Orte geschaffen werden, um ausreichend Bildungsangebote und auf den “Dritten Ort” bezogene Aktivitäten möglich zu machen und einen Museumsbetrieb zu gewähren, der 365 Tage offen bleiben kann.

Die Projektgröße der geplanten Sanierung erfordert gemäß den geltenden vergaberechtlichen Vorschriften ein europaweit offenes Verfahren für die Vergabe der Planungsleistungen. Dabei handelt es sich für die Planungsleistungen im Bereich Architektur um ein zweistufiges Verhandlungsverfahren (sogenanntes VgV-Verfahren), bei dem zunächst Teilnahmeanträge hinsichtlich der Eignung für dieses Projekt ausgewertet wurden, um anschließend die am besten geeigneten Büros zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern. 

Die öffentliche Bekanntmachung im Februar 2023 hat großes Interesse geweckt, so dass bis zum Ablauf der Abgabefrist im März 2023 insgesamt 45 fristgerecht eingegangene Bewerbungen vorlagen. Nach formaler Prüfung bezüglich der Erfüllung der festgelegten Mindestkriterien verblieben 25 gültige Teilnahmeanträge (TNA) von renommierten Architekturbüros aus Deutschland (17 TNA), Europa (5 TNA) und den USA (3 TNA). Die Bewertung zur Güte der eingereichten Referenzen und damit zur Eignung der Büros für die zu vergebende Leistung erfolgte nach dem Prinzip der Bestenauslese. 

Die verbleibenden Bewerber wurden im Juni 2023 zur Angebotsabgabe und zur Teilnahme an der zweiten Verfahrensstufe eingeladen. In diesem zweiten Verfahrensteil hatten die ausgewählten Architekturbüros im Rahmen von Präsentationsterminen die Möglichkeit, ihre besondere Eignung zu verteidigen. 

Dem durch externe, beratende Expertise – unter anderen durch Frau Prof. Hilde Léon, Muck Petzet, Prof. em. Stanislaus von Moos und Robert Portnoff von der paratus group – verstärkten Entscheidungsgremium wurden freie mündliche Vorträge über die Haltung zur Architektur Philip Johnsons sowie Vorstellungen für ein zukunftsfähiges Museum der Moderne und Gegenwart sowie die Bearbeitung einer Stegreifaufgabe präsentiert. 

Unter Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien erfolgt die Erteilung des Auftrages für die Planungsleistungen an das Büro „Caruso St John Architects“, London und Zürich.

Über „Caruso St John Architects“

Die Jury überzeugte vor allem die große Erfahrung des in London und Zürich ansässigen Architekturbüros „Caruso St John Architects” im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden sowie die Qualität der bisher verantworteten Museumsbauten. Caruso St. John wird seit den 1990er Jahren von den beiden Architekten Adam Caruso und Peter St. John geleitet, die sich einen besonderen Ruf im Umgang mit historischer Bausubstanz erarbeitet haben: Vom Londoner Sir John Soane´s Museums bis zu einer barocken Klosterkirche in St. Gallen in der Schweiz. 

Adam Caruso ist als Professor für Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich tätig, Peter St. John an der London Metropolitan University. Das Büro hat eine große Erfahrung mit Museumsbauten u.a.  Neubauten wie die Newport Street Gallery, New Art Gallery Walsall oder Nottingham Contemporary oder raffinierte Umbauten u.a. Tate Britain oder Liverpool Philharmonic Hall. In Deutschland sind Caruso St. John bisher unter anderem mit dem Umbau des Görtz Palais und einem Neubau am Großen Burstah in Hamburg sowie mit dem Bau des Hauptsitzes der Bremer Landesbank vertreten. Auch bei diesem Neubau wird die sorgfältige Auseinandersetzung des Architekturbüros mit den regionalen Bautraditionen deutlich und führt zur einer Ziegelfassade, die an den Backstein-Expressionismus der 1920er Jahre erinnert, ohne nostalgisch zu wirken. Zudem arbeiten Caruso St John Architects gemeinsam mit Hild und K Architekten seit 2016 an der Sanierung der Neuen Pinakothek in München. Die sorgfältige, aber stets undogmatische Auseinandersetzung mit der Geschichte, die Präferenz oder zumindest hohe Beachtung der Aufgabenstellung des Umbaus im Gegensatz zum Neubau und schließlich ihre große Kenntnis und Erfahrung mit Räumen der Kunst und der Kunst selbst, hat die Jury überzeugt.

„Wir haben größtes Vertrauen in das Architekturbüro Caruso St John Architects und freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Generalsanierung stellt eine große Chance dar, die Sichtbarkeit der Kunsthalle Bielefeld als bedeutendes kulturelles und architektonisches Zentrum nicht nur in Bielefeld und der Region, sondern auch international zu erhöhen”, kommentiert Pit Clausen, Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld.

Dr. Udo Witthaus, Beigeordneter der Stadt Bielefeld, Dezernat Schule, Bürger, Kultur, Sport, betont: „Mit Caruso St. John Architects wurde ein Büro ausgewählt, das die anspruchsvolle Aufgabe der zukunftsorientierten Generalsanierung kooperativ mit allen Beteiligten bearbeiten wird. Die Erfahrungen und Arbeitsweisen des Büros lassen erwarten, dass die Kunsthalle unter Wahrung der Tradition in eine zeitgemäße Moderne überführt wird.“
     
„Wir sind hocherfreut und sehr stolz als Abschluss eines anspruchsvollen, europaweiten Vergabeverfahrens das Büro Caruso St John Architects für die zukunftsorientierte Generalsanierung der Kunsthalle Bielefeld gewinnen zu können”, sagt Christine Harodt, technische Betriebsleiterin des Immobilienservicebetrieb der Stadt Bielefeld. “Die Architekten verfügen über eine hervorragende Expertise im Museumsbau und der Sanierung herausragender Architekturdenkmäler. Wir freuen uns auf den neben der Kunsthallenleitung von vielen weiteren Akteuren geprägten, gemeinsamen Prozess das bedeutende Baudenkmal Kunsthalle mit seiner hohen architektonischen Qualität im Sinne einer zeitgemäßen Museumsarbeit zukunftsfähig zu gestalten.“

Auch Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle Bielefeld, freut sich über das Ergebnis: „Wir sind begeistert über die Wahl des Architekturbüro Caruso St. John Architects. Das Büro hat eine große Nähe zur Kunst und hat mehrfach bewiesen, dass sie erfolgreich mit komplexen Fragestellungen umgehen können, die mit historischen Räumen, der Denkmalpflege und der Geschichte und dem Museum verbunden sind. Wir sind davon überzeugt, dass das Büro die idealen Voraussetzungen mit sich bringt, um unser schönes Haus für das 21. Jahrhundert funktionstüchtig zu machen.”

Adam Caruso vom Architekturbüro Caruso St John Architects, betont: „Wir freuen uns, an diesem spannenden Projekt mitarbeiten zu dürfen, an einem der bedeutendsten öffentlichen Gebäude von Philip Johnson, das zu einem festen Bestandteil des städtischen Lebens in Bielefeld geworden ist. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der Stadt und der Kunsthalle, um dieses wichtige Baudenkmal zu restaurieren und es dem Museum zu ermöglichen, sich noch effektiver mit Kunstpraktiken und Ausstellungen des 21. Jahrhunderts auseinanderzusetzen“
Alan Ritchie, Präsident bei PJAR Architects, New York, ehemals Philip Johnson > Alan Ritchie Architects, kommentiert: „Ich denke, es ist sehr wichtig, dass das Museum mit der Zeit geht. Wenn die Architekten die richtige Lösung für die Kunsthalle Bielefeld präsentieren, weiß ich, dass Philip Johnson sie unterstützt hätte."

Über die Kunsthalle Bielefeld

Die Kunsthalle Bielefeld wurde im Jahr 1968 nach Plänen des US-amerikanischen Architekten Philip Johnson (1906-2005) erbaut. Sie ist sein einziger Museumsbau in Europa und ein architekturhistorisches Denkmal. Das ikonische Bauwerk markiert einen ersten frühen Wendepunkt Johnsons hin zur postmodernen Formensprache. Schwerpunkte der mit rund 5200 Werken bestehenden Sammlung aus dem 20. Und 21. Jahrhundert sind der deutsche Expressionismus, die Kunst aus dem Umfeld des Bauhaus und des Konstruktivismus sowie Werke des Minimalismus und Postminimalismus wie auch der Gegenwartskunst. In Wechselausstellungen werden exemplarische künstlerische Positionen und damit stets wechselnde aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen verhandelt, die mit Werken aus der eigenen Sammlung miteinander in immer wechselnde Beziehung gesetzt werden.

Wollen die Kunsthalle Bielefeld zukunftsfähig machen: (v.l.) Oberbürgermeister Pit Clausen, Christine Harodt (Technische Leiterin im städtischen Immobilienservicebetrieb), Architekt Adam Caruso, Kunsthallendirektorin Christina Végh und Kulturdezernent Dr. Udo Witthaus. Foto: Stadt Bielefeld
Wollen die Kunsthalle Bielefeld zukunftsfähig machen: (v.l.) Oberbürgermeister Pit Clausen, Christine Harodt (Technische Leiterin im städtischen Immobilienservicebetrieb), Architekt Adam Caruso, Kunsthallendirektorin Christina Végh und Kulturdezernent Dr. Udo Witthaus. Foto: Stadt Bielefeld