Mangelsituationen oder Ausfälle im Bereich Gas, Strom und Wasser

Ungeachtet der geringen Wahrscheinlichkeit eines Blackouts sind Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern von Stadtverwaltung, Stadtwerken, Feuerwehr und Polizei bereits seit mehreren Monaten im engen Austausch, um die Lage der Energieversorgung regelmäßig zu analysieren sowie über weitere Maßnahmen und Strategien zu beraten. In diesem Zusammenhang werden gegenwärtig Szenarien einer Gasmangellage und eines großflächigen Stromausfalls auf dem Bielefelder Stadtgebiet erarbeitet, um realitätsnahe Auswirkungen für den Krisenfall technisch zu simulieren und erforderliche Handlungsschritte der Behörden, Versorger und Einsatzkräfte ableiten zu können. Dies beinhaltet auch die fortwährende Arbeitsfähigkeit des städtischen Krisenstabes sowie verschiedene Mechanismen für eine bestmögliche Information der Bevölkerung. 3 Dass diese Vorbereitungen auch abseits der Energieproblematik von großer Bedeutung sind und sukzessive fortgeführt werden müssen, zeigt allein das Gefährdungspotential durch die jüngsten Ereignisse im Bereich der Cyber-Kriminalität oder durch Sabotageakte an physischer Infrastruktur.

Die Bielefelder Netz GmbH als zuständige Netzbetreiberin hat sich auf potentielle Gasmangelsituationen intensiv vorbereitet. Das gilt sowohl bei Unterstützungsleistungen im Rahmen der Umsetzung von Individual-/Allgemeinverfügungen des Bundeslastverteilers als auch für den Fall, wenn auf Engpass-Szenarien ad hoc reagiert werden muss (vgl. § 16 Energiewirtschaftsgesetz, EnWG). Alle gemäß § 53a EnWG gesetzlich nicht geschützten Kunden sind von der Netzgesellschaft identifiziert und informiert worden. Ebenso sind die Prozesse an der Schnittstelle zu den Fernleitungsnetzbetreibern entwickelt und überprüft worden. Die konkreten Umsetzungsprozesse des Bundeslastverteilers werden derzeit durch den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und die BNetzA unter Mitwirkung weiterer Verbände detailliert erarbeitet und finalisiert.

Gemäß dem Stresstest der Übertragungsnetzbetreiber („Sonderanalysen Winter 2022/2023“ vom 5. September 2022) ist die Versorgungssituation in Deutschland hinsichtlich Leistungsbilanz und Netzsicherheit im kommenden Winterhalbjahr in allen betrachteten Szenarien äußerst angespannt. Diese Einschätzung basiert u.a. auf den geringen Kapazitäten von Kernkraftwerken in Frankreich, der eigenen Reservekapazität in Deutschland und einem aktuell noch hohen Erdgasanteil in der Stromerzeugung. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind für Deutschland allerdings nicht nur identifiziert, sondern weitestgehend bereits eingeleitet worden (z.B. Erhöhung Netztransportkapazität durch witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb). Dennoch stehen die Stadtwerke Bielefeld hierzu in einem ständigen Austausch mit Stadt und Behörden. Darüber hinaus sind alle Vorbereitungen an den Schnittstellen zu den Übertragungsnetzbetreibern hinsichtlich eines Kaskadenmechanismus vorbereitet und intern auditiert worden.

Die Funktionsfähigkeit der Bielefelder Wasserversorgung ist von einer funktionierenden Stromversorgung abhängig. Die Stadtwerke Bielefeld haben bereits zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, um die Resilienz der Wasserversorgung der Stadt im Falle eines Brownouts bzw. Blackouts zu erhöhen. So ist die Sicherheit der Wasserversorgung bei einer KaskadenAbschaltung von Trafobezirken (Brownout) unter Berücksichtigung der einzelnen Abschaltbezirke gewährleistet. Für den Fall eines Blackouts setzen die Stadtwerke bereits weiterführende Maßnahmen um. So ist ein leitungsgebundener Notbedarf an Trinkwasser durch Netzersatzanlagen bzw. Notstromaggregate selbst bei einem länger anhaltenden Stromausfall in vielen Teilen des Netzgebiets gewährleistet. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen sind mit der Stadt, dem Umweltbetrieb sowie weiteren Behörden besprochen und analysiert worden.

Das Bielefelder Kanalnetz besteht zu ca. 27% aus Mischwasserkanalisation (gemeinsame Ableitung von Schmutz- und Regenwasser in einem Kanal) und zu 73% aus Trennkanalisation (Schmutz- und Regenwasser in getrennten Kanälen). Einzelhäuser und kleinere Siedlungsbereiche im Außengebiet werden über Druckentwässerung an das öffentliche Schmutzoder Mischwasserkanalnetz angeschlossen. Das gesamte öffentliche Kanalnetz erstreckt sich über 1.959 km und beinhaltet 41.230 Schächte sowie ca. 270 Sonderbauwerke mit verschiedensten Funktionen. 94% des Kanalnetzes wird mithilfe von Kanälen im Freigefälle entwässert. Die restlichen 6% werden mithilfe von Pumpwerken und Druckrohrleitungen zur Überwindung von Höhenunterschieden aufgrund der Bielefelder Topographie entwässert. Diese gehören zu den Sonderbauwerken. Ebenfalls erfüllen Sonderbauwerke als Teil des Kanalnetzes unter anderem die Aufgaben von Rückhalt/ Zwischenspeicherung von Abwässern. Viele dieser Bauwerke sind elektrifiziert, weshalb bei 4 einem längerfristigen Stromausfall hier besondere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Funktion des Kanalnetzes weitestgehend aufrecht erhalten zu können. Im Zuge eines längerfristigen Stromausfalls wird mit einer Reduzierung des Abwasseranfalls gerechnet, weil in vielen Haushalten ausfallende Heizsysteme die Wassernutzung z.B. beim Duschen unattraktiv machen. Zudem werden viele Einwohnerinnen und Einwohner kostbares Trinkwasser zwischenspeichern oder sparen. Damit gelangt auch weniger Abwasser in Kanäle und Kläranlage.

Dennoch sind voraussichtlich Maßnahmen durchzuführen, um Risiken für die Bevölkerung abzuwenden sowie Schäden an Umwelt und sonstigen Sachwerten zu verhindern bzw. zu minimieren. Die Maßnahmen bestehen vornehmlich im Anfahren von Sonderbauwerken an Tiefpunkten des Kanalnetzes, um mittels z.T. bereits vorhandenen Notstromaggregaten bzw. mobilen Pumpen und den bestehenden Saugspülfahrzeugen die Bauwerke und das vorgelagerte Kanalnetz zu entwässern. Hierzu erarbeitet der Umweltbetrieb derzeit auf Grundlage von Berechnungen sowie der örtlichen Gegebenheiten und schutzwürdigen Anlagen einen Umsetzungsfahrplan für den Fall eines flächendeckenden Stromausfalls.

Die Klärwerksstandorte des Umweltbetriebes sind grundsätzlich mit Einrichtungen zur Notstromversorgung ausgerüstet. Für den Fall einer Störung der Stromversorgung ist aktuell folgende Handlungsweise vorgesehen: Die relevanten Kernbereiche der gesamten Abwasserbehandlung werden weiter betrieben. Dies sind die Zulaufpumpwerke, die Biologie, die Nachklärbecken und die Steuerung hierfür, damit das Abwasser nicht unbehandelt in das Gewässer abgeschlagen wird. Die Schlammentwässerungen und die Filtration Heepen werden in diesem Fall nicht mit Strom versorgt. Um eine Behandlung des Abwassers sicherzustellen, ist dies nicht erforderlich. Die Schlämme werden insoweit zwischengespeichert, bis die Stromversorgung wieder vollständig hergestellt ist. Die Einrichtungen zur Stromversorgung lassen sich in zwei Arten unterscheiden: Die „Unterbrechungsfreien Stromversorgungen“ (USV) sichern automatisch und kontinuierlich den Betrieb der Steuerungen und anderer relevanter Einrichtungen mit geringem Energiebedarf. Die Kläranlagen verfügen zudem über sogenannte „Netzersatzaggregate“ auf Heizölbasis (NEA). Diese sichern automatisch und innerhalb von Sekunden den Betrieb der relevanten, leistungsstarken Anlagenteile. Dies für mindestens 8-48 Stunden, je nach Standort. Längerer Betrieb ist in Abhängigkeit einer Treibstoff-Nachlieferung möglich. Die Rufbereitschaften von Kanalbetrieb und Kläranlagen werden über das automatische Meldesystem alarmiert und kontrollieren die Lage vor Ort. Diese ersten Alarmierungen erreichen die Rufbereitschaften auch bei einem Stromausfall. Die Wege der weiteren Kommunikation befinden sich in der Abstimmung.